„Klimagerechter Städtebau – Utopie oder machbar?“ – Nachbericht zu unserem offenen Forum

Etwa 50 Teilnehmer unseres offenen Forums diskutierten vielseitig über ein aktuelles Thema

Seit längerer Zeit suchen wir Wege, die Öffentlichkeit aktiv in unsere Arbeit zu kommunalpolitischen Themen Sulzbach-Rosenbergs einzubinden. Unser offenes Forum am 19. Oktober im Capitol „Klimagerechter Städtebau – Eine Utopie oder machbar?“ hat unsere Erwartungen deutlich übertroffen. Wir bedanken uns bei allen Teilnehmern für Ihr Interesse und ihren Einsatz, dieses wichtige Thema vielseitig und auch stellenweise kontrovers zu bearbeiten! Einen kurzen Nachbericht stellten wir kurz nach der Veranstaltung bereits ein, im Folgenden eine ausführliche Zusammenfassung des Abends.

Worum es uns ging

Die Folgen unserer Abhängigkeit von fossilen Energieträgern werden uns aktuell bewusster denn je zuvor: Explodierende Energiekosten bringen Haushalte und Gewerbe in finanziell teils existenzielle Not, die Klimaerwärmung mit häufigeren Extremwetterereignisse wird zu einer zunehmenden Bedrohung für die Gesundheit der Menschen.

Auf kommunaler Ebene wird es zur dringlichen Aufgabe, diesen Herausforderungen aus zwei Richtungen zu begegnen:

  • Städtebauliche Maßnahmen, um den Folgen des Klimawandels wie häufigere Hitzeperioden oder Unwetter zu begegnen
  • Energetische Konzepte für Bau und Nutzung von Gebäuden zur Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern als Beitrag zur Prävention einer weiteren globalen Erwärmung

In Sulzbach-Rosenberg gewinnt dieses Thema durch die derzeitige Erschließung zweier neuer Baugebiete (Loderhof und Katzenberg) weiter an Aktualität – verbunden mit dem Potenzial, die Impulse dieses offenen Forums dort umzusetzen.

Unser Ziel für diesen Abend war zu zeigen, ob sich die sich das Motto bzw. die Frage „Klimagerechter Städtebau – Utopie oder machbar?“ mit einem „Machbar!“ beantworten lässt. Unser Fazit: Ja! Klimagerechter Städtebau ist machbar! Die Konzepte und Technologien liegen vor und haben sich an anderer Stelle vielfach bewährt. Nun gilt es herauszufinden, wo auf kommunaler Ebene für Sulzbach-Rosenberg der Hebel angesetzt werden muss, um die richtigen Dinge in die richtige Richtung in Bewegung zu bringen.

Die Themen

Eine Stadt braucht Frischluft

Starke Absorption von Sonnenlicht auf dunklen Flächen, keine Kühlung durch Verdunstung und ein durch Gebäude gebremster Luftaustausch mit der Umgebung: Die durch die Klimaerwärmung immer häufigeren und längeren Hitzeperioden wirken sich in dicht bebauten Städten noch stärker auf die Gesundheit der Einwohner aus als im ländlichen Bereich. Umso wichtiger ist es, durch in das Stadtbild integrierte, größere Grünflächen der Aufheizung bewohnter Gebiete entgegen zu wirken.

Dies gelingt durch sog. Kaltluftschneisen: Die über bebauten Flächen entstehende heiße Luft steigt nach oben, wodurch von benachbarten Bereichen Luft in Bodennähe angesaugt wird. Strömt diese vorher durch Grünflächen und kühlt dort dabei aufgrund von Verdunstung ab, entsteht so auf natürliche Weise eine von der Erwärmung angetriebene, deutlich spürbare Absenkung der Temperatur im bebauten Bereich.

Nebenbei dienen solche Grünflächen als Aufenthaltsort, um an heißen Tagen unmittelbar Abkühlung zu erfahren.

Eine Stadt braucht Identität ohne Flächenverbrauch

Leerstand im innerstädtischen Bereich und Neubaugebiete am Stadtrand oder weiter außerhalb: Diese überall, auch in Sulzbach-Rosenberg präsente Entwicklung bedingt nicht nur massiven Landschaftsverbrauch und Versiegelung, sondern befeuert ebenfalls die Klimaerwärmung: Im bei der Errichtung von Gebäuden benötigten Baumaterial stecken große Mengen sog. grauer Energie, alleine die Herstellung von Zement ist verantwortlich für ca. 6 – 9 % der globalen Emission von Treibhausgasen. Des weiteren bedeutet ein zentrumsferner Wohnort längere Verkehrswege, je nach Verkehrsmittelwahl (zumeist PKW) ebenfalls verbunden mit vermehrtem CO2-Ausstoss.

An diesem Abend wurde intensiv darüber diskutiert, aus welchen Gründen Bauherren in Sulzbach-Rosenberg aber auch in Nachbargemeinden der Innenstadt den Rücken kehren, der dortige Leerstand zunimmt und parallel Neubaugebiete ausgewiesen werden müssen. Die sich daraus ableitende Frage ist: Wie lässt sich das Wohnen in der Innenstadt attraktiver gestalten, um diesem ökologisch bedenklichen und klimaschädlichen Trend entgegen zu wirken? Aus welchen Zielgruppen setzen sich Häuslebauer zusammen, und mit welchen Argumenten bzw. Maßnahmen ließen diese sich zu einem Umdenken bewegen?

Der Impulsvortrag von Frau Lydia Kartmann lieferte zum nachhaltigen Grundprinzip „Innen vor Außen“ wertvolle Anregungen am Beispiel der Neugestaltung einer Konversionsfläche in Schwabach, wo Bestandsbauten funktionell wie auch architektonisch mit Neubauten harmonisieren.

Eine Stadt braucht energieautarke neue Wohngebiete

Energie-Autarkie von Gebäuden bedeutet die Unabhängigkeit von einer externen Versorgung mit Heizenergie und elektrischer Energie. Bei Einfamilienhäusern kann dies über eine Kombination aus Photovoltaik, Batteriespeichern und z. B. Wärmepumpen zu einem gewissen Grad gelingen. Bei Wohngebieten mit einem signifikanten Anteil an Mehrfamilienhäusern kann eine gemeinsame Versorgung durch mit Biomasse betriebene Blockheizkraftwerke eine sinnvollere und für alle angeschlossenen Haushalte wirtschaftlichere Alternative sein:

Entweder über ein in der Stadt bereits vorhandenes Kraftwerk (wie in Sulzbach-Rosenberg mit dem Biomasse-Blockheizkraftwerk auf dem ehemaligen Maxhütten-Gelände der Fall) verbunden mit einem Ausbau des Fernwärmenetzes, oder ein dezentral in einem Neubaugebiet installiertes Blockheizkraftwerke mit Errichtung eines Nahwärmenetzes. Wirtschaftlich realisierbar ist dies nur bei einem Anschluss aller Gebäude innerhalb des Nahwärmenetzes, was das kontrovers diskutierte Thema Anschlusszwang ins Spiel bringt.

In ihrem Vortrag beschrieb Frau Lydia Kartmann die Möglichkeiten einer energie-autarken Wohngebietsplanung im Rahmen städtebaulicher Grundsätze anhand eines Beispiels aus dem Landkreis Roth.

Regenwassernutzung

Die Einleitung von Niederschlagswasser in die Kanalisation ist aus mehreren Gründen nachteilig: Zum einen ist Regenwasser viel zu sauber, um mit großen Energie- und Kostenaufwand in Klärwerken zu landen, was letztlich die Gemeindemitglieder über Abwassergebühren finanzieren. Zum anderen lässt sich über die Nutzung von Regenwasser bei der Gartenbewässerung und Toilettenspülung aufwändig aufbereitetes und nicht grenzenlos verfügbares Trinkwasser einsparen. Zuletzt muss ein Kanalsystem mit großem baulichen Aufwand darauf ausgelegt werden, auch größere Mengen an Niederschlagswasser bei Starkregenereignissen aufzunehmen.

Ökonomisch und ökologisch viel sinnvoller ist es daher, Niederschlagswasser zu einem möglichst großen Teil entweder zu nutzen, oder in der Nähe versickern zu lassen. Geschieht letzteres in benachbarten Grünflächen, schließt sich auch der Bogen zur Funktion der oben aufgeführten Kaltluftschneisen: Diese erfüllen ihren Zweck auch nach längeren Dürreperioden nur dann, solange sie über die Verdunstung von Wasser zur Kühlung beitragen können.

Frau Lydia Kartmann hält ihren Impulsvortrag im Capitol in Sulzbach-Rosenberg
Das Capitol war erfreulich gut gefüllt, ca. 50 Interessierte diskutierten und brachten vielseitige Ideen und Meinungen ein
Das Publikum gab sich etwa 1 1/2 Stunden lang das Mikrofon in die Hand …
… und durfte fachkundige Antworten von Frau Lydia Kartmann sowie Herrn David Neidl erwarten.